Der Lift als Rückgrat eines imaginären Jachtclubs

Seit über 110 Jahren ist das neobarocke Gebäude des Hotels Eden au Lac in Zürich ein wichtiger Merkpunkt in der Gebäudefront des rechten Zürichseeufers. Ein Lift führt direkt in den ‹Jachtklub› in der Kuppel.

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Seit über 110 Jahren ist das neobarocke Gebäude des Hotels Eden au Lac in Zürich ein wichtiger Merkpunkt in der Gebäudefront des rechten Zürichseeufers. Besonders gross ist das Haus nicht, doch die eindrückliche Kuppel mit der aufgesetzten Laterne inszeniert es effektvoll in der langen Reihe unterschiedlicher Bauten.

Was man von aussen nicht ahnt: Unter der Kuppel befindet sich seit kurzem ein imaginärer Jachtklub – das Ergebnis des jüngsten Umbaus dieses traditionsreichen Hauses. 2014 kam es als Teil der Victoria-Jungfrau-Collection zur Klinik- und Hotelgruppe Aevis von Michel Reybier. Dieser integrierte es kürzlich in seine mittlerweile sieben Luxushäuser zählende Gruppe La Réserve. Die Verwandlung des alten Viersternhotels Eden au Lac in das neue La Réserve Eden au Lac löste beträchtliche Investitionen aus.

 

 

 

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Inszenierter Weg nach oben im Glaslift
Von aussen zeigt sich das Haus mit seiner prächtigen Fassade und den charakteristischen blau-weiss gestreiften Sonnenstoren weitgehend unverändert. Im Innern jedoch blieb mit Ausnahme des Rohbaus kein Stein auf dem anderen. Hier war von der Originalsubstanz des 110-jährigen Hauses ohnehin nicht mehr viel vorhanden, und so erhielt es ein ganz neues Gepräge. Michel Reybier ist ein begeisterter Segler, und er engagierte einen anderen begeisterten Segler: den Architekten und Designer Philippe Starck. Kein Wunder also, dass die beiden die Jacht als Leitmotiv für das stolze Haus am See wählten.

 

 

 

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Kommen in den Räumen des Erdgeschosses und in den Hotelzimmern und -suiten die Schiffsmotive als einzelne Akzente vor, breitet sich das Thema im Kuppelraum in seiner ganzen Pracht aus: Die allein ihrer Dimensionen wegen eindrückliche Raumhülle des hier eingerichteten Restaurants Muña mit den beiden seitlichen Dachterrassen ist wie ein Jachtclub oder vielmehr wie ein umgedrehter hölzerner Schiffsrumpf gestaltet. Von der Dachlaterne hängen alte Ruderboote senkrecht nach unten, und entlang der Balken ziehen sich Taue.

 

 

 

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In den ‹Jachtclub› unter der Kuppel gelangt man aus dem Erdgeschoss mit einem gläsernen Lift im Auge der historischen Treppe. Als Rückgrat des Hauses inszeniert der Lift den Weg von unten nach oben – von der Halle durch die Zimmergeschosse ins Dach – gleich mehrfach: Wer mit ihm nach oben fährt, erheischt einen Blick in die einzelnen Geschosse und vor allem auf die farbigen Glasbilder, die Starcks Tochter Ara gestaltet hat. Wer lieber die Treppe nimmt, erfährt das räumliche Erlebnis des Emporschreitens auf der breiten, in den oberen Geschossen hölzernen Treppe. Diese führt jedoch nicht bis ins Dach, sondern nur bis ins oberste Zimmergeschoss. Die Decke darüber ist ein Brandabschnitt, sodass eine separate Treppe den Dachraum erschliesst. Einzig der Lift durchdringt diese Decke – was brandschutztechnisch eine besondere Herausforderung war. Man fährt in der gläsernen Kabine aus dem hellen, offenen Treppenhaus in den dunklen Dachraum und wird so auf die besondere Atmosphäre des ‹Jachtclubs› vorbereitet. Damit der Dachstuhl nicht den Lasten des Lifts und dessen Vibrationen ausgesetzt wird, wurde der Antrieb unten wie ein Anker in der Grube angeordnet.

 

Die Tücken des Baugrunds
Der Lift steht – wie es sich für ein Rückgrat gehört – senkrecht im Treppenauge. Im La Réserve Eden au Lac ist das keine Selbstverständlichkeit. Wer das Gebäude nämlich genau betrachtet, den Blick auf die Details lenkt, stellt fest: Nicht alles, was senkrecht zu sein scheint, ist auch senkrecht. So hängen die an Drähten befestigten Leuchten in der Halle aufgrund der Schwerkraft lotrecht im Raum. Der Pilaster dahinter jedoch steht schief. Das hat nichts mit dem Jachtmotiv oder gar der Seekrankheit zu tun, mit dem See aber sehr wohl.

 

 

 

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Wie alle Häuser im Uferbereich des Zürichsees steht auch das Eden au Lac auf aufgeschüttetem Land und somit auf wenig tragfähigem Grund. In der Regel rammte man Hunderte von Holzpfählen tief in den Boden (beim Opernhaus waren es 1800), die den Fundamenten als Pfahlrost einen sicheren Untergrund geben. Beim Bau des Eden au Lac wollte Architekt Christian Scheel modern sein: Die Baufirma Franceschetti und Pfister goss als Fundament eine Betonplatte über die ganze Grundfläche. «Es ist nicht daran zu zweifeln, dass sich diese Fundierungsmethode bewähren wird, so gut wie in Amerika, wo man sie schon längst kennt», schrieb die ‹Neue Zürcher Zeitung› im Sommer 1907. Doch weit gefehlt: Die Betonplatte lag nicht auf sicherem Grund, sodass sich das Haus bald nach hinten neigte.

 

Turbulenzen am Anfang
Diese Instabilität kann durchaus symbolisch verstanden werden, denn der Anfang des ‹Eden au Lac› stand unter keinem glücklichen Stern. Weil die Baufirma liquidiert wurde, konnte das Haus nicht wie vorgesehen im Sommer 1908, sondern erst im Juni des folgenden Jahres seine ersten Gäste empfangen. Zunächst war es nicht als Passanten-, sondern als Familienhotel geplant, in dem die Gäste ganze Wohnungen mieten konnten. In den 1920er-Jahren übernahm eine Genossenschaft das Haus und betrieb es zunächst erfolgreich weiter. Doch 1936, in der Wirtschaftskrise wurde das Haus konkursamtlich versteigert und von der Schweizerischen Bodenkreditanstalt erworben. Umgebaut durch Architekt Hermann Weideli und dabei mit dem ersten Lift ausgerüstet, feierte es im folgenden Jahr Wiedereröffnung. Nun stand das Haus unter der Direktion von Arthur Louis Thurnheer, der 1947 die Liegenschaft auch kaufen konnte. In den 1960er-Jahren übernahm die Familie Bärtschi die Leitung des ‹Eden au Lac›, deren zweite Generation es bis im Sommer 2007 führte. Bereits 2005 hatte die Victoria-Jungfrau-Collection den Hotelpalast am See übernommen.

 

 

 

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Rettung der Kuppel
Über die Jahrzehnte wurde das Hotel immer wieder modernisiert und den veränderten Bedürfnissen angepasst. Grosse Pläne wurden 1973 präsentiert: Das Dach samt Kuppel sollte durch ein hoch aufragendes, zweigeschossiges Walmdach ersetzt werden. Das hätte Platz für mehr Zimmer geschaffen, aber den Charakter des Hauses grundlegend verändert. Wegen befürchteter Entschädigungsforderungen setzte sich der Stadtrat nur halbherzig für den Denkmalschutz ein. So war es schliesslich der Kanton, der 1974 ein Abbruchverbot für die Kuppel verfügte – explizit um das Stadtbild am See zu schützen. Fünf Jahre später konnten die Arbeiten am abgeänderten Projekt beginnen: Die Kuppel und der ganze Dachstock wurden zwar abgebrochen, aber in leicht veränderter Form wiederaufgebaut. Dank einem etwas veränderten Neigungswinkel und einer Erhöhung um 30 Zentimeter fanden beidseits der Kuppel neue Suiten Platz unter dem Dach. Der Kuppelraum selbst blieb ungenutzt – bis jetzt Philippe Starcks ‹Jachtclub› hier sein Domizil fand.

 

Hotel La Réserve Eden au Lac, 2020
Utoquai 45, Zürich
Bauherrschaft: Swiss Hospitality Properties, Interlaken
Generalunternehmung: Prosys Concept, Corcelles / Zofingen
Innenarchitektur: Philippe Starck

 

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