Nachhaltigkeit im Liftbau scheint sich bislang auf das Reduzieren des Energieverbrauchs im Betrieb und das Erschaffen von effizienteren Antriebssystemen zu konzentrieren. So bieten die grossen Hersteller regenerative Antriebe, Energiespeicher, Stand-by-Modi, eine Optimierung von Fahr- und Wartezeiten oder eine energieefiziente Beleuchtung an. Gerne geht dabei vergessen, dass für die CO2-Bilanz der gesamte Lebenszyklus eines Produkts zählt: von der Herstellung über die Installation und den Betrieb bis zur Instandhaltung.
Ins Gewicht fällt vor allem die Herstellung, die notwendigerweise Energie und Material kostet und entsprechend CO2 emittiert. Den grössten Beitrag zu einem nachhaltigeren Aufzug leistet folglich eine möglichst lange Nutzungsdauer: Auch der energieeffizienteste Lift ist wenig nachhaltig, wenn er nach 20 Jahren – das ist die durchschnittliche Lebenserwartung eines Standard-Drahtseilaufzugs mit Gegengewicht – demontiert und komplett ersetzt wird. «Der effizienteste Lift ist derjenige, der so lange im Gebäude bleibt, wie das Gebäude steht, am besten mehr als 100 Jahre», sagt Daniel Steiger, Verkaufsleiter bei Emch und Architekt. Das ist denn auch die Firmenphilosophie: auf robuste und langlebige Anlagen setzen und eine Reparatur dem Ersatz vorziehen.
Die Seilrolle ist so konstruiert, dass ein Lagerwechsel einfach ausgeführt werden kann.
Einzel- statt Massenfertigung bringt Qualität und Lebensdauer.
Ein Aufzug eignet sich bereits heute für die Kreislaufwirtschaft – und das ohne grossen Entwicklungsaufwand. Die Nutzungsdauer der Einzelteile ist sehr unterschiedlich: Verschleissteile wie Antriebe oder Seile müssen häufiger ersetzt werden als weniger beanspruchte Elemente wie Führungsschienen, Tragrahmen oder Gegengewichte, die bei entsprechender Wartung eine nahezu unbegrenzte Lebensdauer haben.
Für eine maximale Nutzungsdauer muss jede Komponente einfach repariert oder ausgetauscht werden können. Das bedingt eine modulare Bauweise, doch der Trend geht in die entgegengesetzte Richtung: Aufzüge sind heute weniger modular auf weniger modular aufgebaut als früher. Vergleichbar mit den Entwicklungen in der Automobil- oder Elektroindustrie werden Liftanlagen als geschlossene, standardisierte Produkte gebaut, deren einzelne Teile nicht ohne Weiteres ausgetauscht werden können. Das liegt auch daran, dass die Modelle als Ganzes baumustergeprüft und zertifiziert sind. Das kann zur Folge haben, dass Aufzugsanlagen komplett ausgetauscht werden, selbst wenn nur eine Komponente defekt ist – etwa weil das Ersatzteil für genau diesen Modelltyp nicht mehr produziert wird.
Emch setzt in der Produktion einen Gegentrend: Die Komponenten eines Aufzugs werden individuell zusammengestellt, um auf die spezifischen Anforderungen einer Sonderanfertigung reagieren zu können. Mit einer guten Demontierbarkeit der Bauteile und der separaten Zertifizierung der einzelnen Elemente denkt das Unternehmen bereits bei der Herstellung an eine spätere Reparatur oder Nachrüstung. Ein Aufzug von Emch durchläuft deshalb keine Baumusterprüfung. Stattdessen wird die Konformitätsbescheinigung auf Grundlage einer Einzelprüfung und -abnahme sichergestellt. Das macht nicht nur den problemlosen Austausch von Komponenten entsprechend ihrer Lebensdauer möglich, sondern auch die Verwendung von Bauteilen anderer Lieferanten. Das sorgt für mehr Spielraum bei der Ersatzteilbeschaffung und erlaubt die Anpassung an strengere Normen.
Die Prinzipien der Modularität, wie sie bei den Einzelfertigungen von Emch gelten, liessen sich auch auf die Standardlifte der grossen Hersteller übertragen. Wenn auch die Komponenten von standardisierten Produkten entsprechend ihrer jeweiligen Lebensdauer ersetzt werden könnten, würde das die Nutzungsdauer von Aufzugsanlagen entscheidend verlängern. Das setzt jedoch ein Umdenken sowohl auf Hersteller- als auch auf Nutzerseite voraus. Nicht der neuste Standard oder Trend müssen das Ziel sein, sondern möglichst viele Lebenszyklen.
Neben der fehlenden Modularität führen auch neue Normen oder Trends zum vorzeitigen Austausch einer Aufzugsanlage. Ein weiterer Grund sind geänderte Nutzungsanforderungen an ein Gebäude. Aufstockung, Unterkellerung oder höhere Lastanforderungen können den Erhalt bestehender Aufzugsanlagen infrage stellen. Auch hier zeigt Emch, was möglich ist. Bei einem Chemieunternehmen in Arlesheim galt es, eine 40 Jahre alte Lastenaufzugsanlage für eine Erhöhung der Transportlast und der Fahrgeschwindigkeit umzurüsten. Zudem sollten die alten Drehflügeltüren mit automatischen Türsystemen ersetzt werden. Emch verstärkte die vorhandene Liftstruktur und passte sie an die neuen Anforderungen an. Zusätzliche Schienenkonsolen garantieren die neu geforderte Erdbebensicherheit. Viel Material konnte weiterverwendet werden, unter anderem das 4000 Kilogramm schwere Gegengewicht, das zum Ausgleich der höheren Nutzlast
verlängert und ergänzt wurde.
In der Standardisierung von Bauteilen liegt ein grosses Potenzial für deren Wiederverwendung. Dennoch werden flexible Sonderlösungen weiterhin eine wichtige Rolle spielen, gerade beim behutsamen Umbau historischer und bestehender Bauten. Viele ältere Gebäude müssen für die Gewährleistung der Barrierefreiheit umgebaut werden. Das Fehlen eines Lifts oder erwartete Schwierigkeiten im Zuge seines Einbaus können ein Grund sein, das bestehende Gebäude abzureissen. Kreative und zugleich ökonomische Lösungen sind also gefragt.
Emch ist es schon mehrmals gelungen, invasive Eingriffe in die Bausubstanz durch Sonderlösungen zu vermeiden. Ganz nach dem Motto «Keine Spuren hinterlassen» hat das Unternehmen oft mit selbsttragenden Schachtstrukturen gearbeitet. Derzeit entwickelt es ein System, bei dem die Aufzugskabine als Gegengewicht funktioniert. Diese platzsparende Lösung hat das Potenzial, vielen älteren Wohngebäuden zu einem längeren Leben zu verhelfen. Ein nachhaltiger Lift ist modular aufgebaut, platzsparend konzipiert und in der Nutzung anpassbar. Er ist robust, langlebig, reparier- und wiederverwendbar. Und ein alter Lift ist dann nachhaltig, wenn er behutsam modernisiert wird. Dafür braucht es Bauherrschaften und Unternehmen, die den Reiz und die Notwendigkeit des Weiterbauens am Bestand erkennen.