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Baubronze – ein solides, anmutiges Material

Geschrieben von Daniel Steiger | 29.03.2023 07:03:18

Mächtige steinerne Bauten prägen das Seeufer in Zürich: die Wohnhäuser Rotes und Weisses Schloss am General-Guisan-Quai oder die Hauptsitze der Versicherungsgesellschaften Swiss Life, Zurich und Swiss Re am Mythenquai.

«Unser Haus sollte kein solcher mineralischer Stadtbaustein sein, sondern ein Solitär im Grünen», erläutert Architekt Mike Guyer den Neubau des Bürohauses, das er und Annette Gigon im Park der historischen Villa Rosau geplant haben. Deshalb geht das Gebäude auf Distanz zu den angrenzenden Strassen, gegen die sich das Grundstück mit dem aufwendig restaurierten und teilweise ergänzten Zaun abgrenzt. Zudem ist der Neubau ein bis zwei Geschosse niedriger als die grossen Nachbarn, und er ist in ein besonderes Material gekleidet: in Baubronze.

 

 

 

 

 

Das Fassadenmaterial stand schon in einer frühen Projektphase fest, blickt Mike Guyer zurück. Mit ihrer dunklen, nicht ganz homogenen Oberfläche fügt sich die Baubronze besser in den Grünraum ein und wirkt geschmeidiger als beispielsweise braun eloxiertes Aluminium. Die sichtbare Patina macht das Material wertig und verleiht dem Gebäude eine zurückhaltende Repräsentativität und Aura, die zum Ort passt. Ob sich die Fassade wie vorgesehen realisieren lässt, war indes lange Zeit nicht klar: Das Material ist relativ teuer und nur beschränkt lieferbar.

 

Material mit Tradition
Die Fassade ist ein Geflecht aus vertikalen stranggepressten Profilen und horizontalen, kalt gewalzten Blechen. Zurzeit sind die Profile noch deutlich dunkler als die Bleche, doch mit der Zeit wird sich die Farbe angleichen. Ganz homogen wird die Oberfläche jedoch nicht werden. «Daran mussten wir uns zuerst gewöhnen. Doch das gehört zur Eigenschaft des Materials», resümiert Mike Guyer. Mit dem im neuen Zustand noch braun-golden schimmernden Material gesellt sich das Bürohaus zu einer Reihe prominenter Bauten, die ihre Kraft aus demselben Material schöpfen. In Zürich ist das beispielsweise das Modissa-Gebäude an der Bahnhofstrasse von Architekt Werner Gantenbein von 1975, in New York das Seagram Building von Ludwig Mies van der Rohe und Philip Johnson von 1958. Eine erste Blüte hatte die Baubronze ab den späten 1930er-Jahren, als das korrosionsfreie und widerstandsfähige Material vor allem für Fenster- und Türprofile eingesetzt wurde. So sind beispielsweise die langen Bandfenster, die Schaufenster und Vordächer am Erweiterungsbau des Warenhauses Jelmoli von 1938 aus Baubronze gefertigt. Doch so bekannt der Begriff ‹Baubronze› auch ist – im Grunde ist er falsch oder zumindest unpräzis: Als Legierung aus Kupfer, Zink und Mangan (und allenfalls Blei oder Eisen) gehört das Material zur Sorte ‹Sondermessing›. Die korrekte Bezeichnung von ‹Bronze› gilt eigentlich nur für Legierungen aus Kupfer und Zinn.

 

 

 

 

 

 

Edle Erschliessung
Die enge Verwandtschaft von Baubronze und Messing zeigt sich im Innern des neuen Bürohauses, genauer: in den drei von oben belichteten Erschliessungskernen mit den Treppen und Liften. Glatte Sichtbetonoberflächen und ein geschliffener Betonboden bilden die gleichermassen edle wie harte Schale. Im Kontrast dazu stehen die weich anmutenden Metallarbeiten: das golden glänzende Staketengeländer aus Messing und die ebenfalls aus Messing gefertigten Liftfronten und -kabinen. Im Gegensatz zum Geländer sind die Lifte wie auch die übrigen Metalltüren aus brüniertem Messing gefertigt, das in seiner Farbigkeit zwischen der sich braun verfärbenden Baubronze an der Fassade und dem glänzenden Geländer steht. Die Metallteile werden in höchster Präzision in der Werkstatt gefertigt und am Rohbau montiert. Um die unterschiedlichen Masstoleranzen zwischen dem weniger präzisen Ortbeton und den exakt gefertigten Liftfronten aufzunehmen, trennen markante Schattenfugen die Bauteile voneinander und unterstreichen den Unterschied zwischen Rohbau und Ausbau.

Diese Abstufung – Baubronze, brüniertes Messing, glänzendes Messing – widerspiegelt die Nähe der Nutzerinnen und Nutzer zum Gebäude: Die Fassade betrachtet man eher aus der Ferne, den edlen Liften kommt man ganz nah und berührt sie punktuell, das Geländer hingegen soll der Hand schmeicheln. Egal, ob man sich auf den Treppen durchs Haus bewegt oder den Lift nimmt: Die Kontinuität der hochwertigen Materialisierung bleibt bestehen. Wer den Lift betritt, verlässt zwar das grosszügige Treppenhaus, doch ist die kleine Liftkabine ebenso sorgfältig gestaltet wie das ganze Haus. In den Bürogeschossen setzt sich diese Hochwertigkeit fort, wenn auch mit anderen Materialien. Auf dem Boden liegt Teppich, fein perforierte Metallpaneele bilden die Decke, dazu gesellen sich Einbauten aus Holz. An der Fassade schliesst sich der Kreis zum Messing: Nach innen zeigt die Fensterkonstruktion aus Aluminium ihr braun eloxiertes Gesicht, doch aussen sind die Profile mit Baubronze verkleidet. Der Höhepunkt der Anwendung ist der offene Durchgang von der Strasse unter dem Bürohaus hindurch zur Villa. Hier leuchtet das mit einer transparenten Beschichtung stabilisierte Messing hell und verleiht dem Raum eine festliche Atmosphäre.

 

 

 

 

 

 

Im Fokus der Öffentlichkeit
Aus den Bürofenstern und von den Dachterrassen geniesst man einen prachtvollen Blick: auf die Villa Rosau, auf den See oder auf das Kongresshaus. Darauf und auf das Areal der Villa Rosau richteten sich im Frühjahr 2008 alle Augen Zürichs. Es war geplant, das Kongresshaus durch einen Neubau zu ersetzen und diesen mit einem Hotel auf dem Areal der ‹Rosau› zu ergänzen. Dafür wollte die Stadt das vom benachbarten Hotel Baur au Lac als Tennis- und Parkplatz genutzte Areal neben der Villa erwerben. Die Volksabstimmung über den Kredit für den Landkauf war ein Plebiszit über den Kongresshaus-Neubau. Und so beendete das Nein zum Kredit am 1. Juni 2008 auch die Planungen für das neue Kongresszentrum. Zurzeit lässt die Kongresshaus-Stiftung ihr denkmalgeschütztes Haus von Haefeli Moser Steiger und die darin eingebundene Tonhalle sanieren. Das Areal, auf dem das Kongresshotel geplant war, blieb in den Händen der ursprünglichen Besitzer, die darauf den nun vollendeten Bürobau errichteten. Die Villa Rosau, ein Werk Ferdinand Stadlers von 1845, wird aufwendig saniert und für den Club Baur au Lac hergerichtet.

 

Geschäftshaus Rosau, 2016–2020
Claridenstrasse 4–14, Glärnischstrasse 6 / 8, Zürich
Bauherrschaft: Villa Rosau AG, Zürich
Architektur: Gigon / Guyer Architekten, Zürich
Landschaftsarchitektur: Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich
Bauleitung: b+p baurealisation, Zürich